Manchmal liest man ein Buch, das einen sehr berührt, welches noch einige Zeit nachschwingt und über das man noch lange nachdenkt.
Für mich ist es oft der Schreibstil einer Autorin, eines Autors, der ein Buch zu einem Literaturschatz macht. Man kann es nicht in Worte fassen, aber diese Bücher ergreifen einen und lassen einen nicht mehr los. Über Jahre hinweg denke ich an diese Bücher und bewundere die Menschen, die so ein großes Talent haben und ihr Handwerk so dermaßen gut beherrschen.
Neben dem Lesen habe ich noch eine andere große Leidenschaft: Hunde natürlich!
Ich bin fasziniert von Verhalten, und zwar sowohl von hündischen als auch von menschlichen Verhaltensweisen. Ich liebe es, Mensch-Hund-Teams zu beobachten und ziehe im Alltag eigentlich konstant Parallelen zwischen diesen beiden komplexen Spezies. Solche Parallelen werden von manchen Leuten als „Vermenschlichung“ im negativen Sinn betitelt. Dabei sind sie einfach nur logische Analogien zwischen zwei hoch entwickelten, sozialen Säugetierarten. Oft sind gerade die Leute, die das Verwöhnen und „Vermenschlichen“ von Hunden kritisieren, diejenigen, die ihren Hunden menschliche Etiketten überstülpen: „Mein Hund ist stur.“ „Mein Hund testet seine Grenzen aus.“ „Mein Hund verarscht mich gerade.“
Diese Art der Vermenschlichung ist ein schlechter Ratgeber und führt uns in eine falsche Richtung. Sie geht davon aus, dass ein Hund etwas tut, nur um uns zu ärgern. Sätze wie „Der weiß genau, was er bei dem Kommando machen soll!“ sollen Strenge, Schimpfen und schlimmere Dinge rechtfertigen. Diese Menschen nehmen an, dass ein Hund eine Übung nicht ausführt, weil er sein Herrchen oder Frauchen vorführen will, weil er seine Dominanz zeigen möchte oder seinen Kopf durchsetzen muss.
Wenn wir unsere menschlichen Eitelkeiten mal weglassen und das Verweigern einer Übung als reine Information betrachten, kommen wir sehr viel weiter. Anstatt das Wortsignal noch ein paar Mal zu wiederholen und dabei immer lauter, strenger und bedrohlicher zu werden, gehen wir innerlich einen Schritt aus der Situation und betrachten das Setting. Kann der Hund diese Übung wirklich unter dieser aktuellen Ablenkung?? Haben wir das überhaupt jemals geübt unter diesen Bedingungen?? Kann es sein, dass das Verhalten des Hundes gerade von bestimmten Hormonen beeinflusst wird?? Das bedeutet, dass wir die Umwelt vielleicht ein bisschen anpassen müssen oder einen Trainingsschritt zurückgehen können, um die Übung für den Hund überhaupt durchführbar zu machen.
Dahingegen würde ich es nicht als „Vermenschlichung“ bezeichnen, wenn wir Welpen, alten oder kranken Hunden oder auch Hunden aus dem Süden im Winter ein Mäntelchen anziehen, wenn wir bei Kälte und Nässe von unseren kurzfelligen Gefährten nicht ein „Platz“ einfordern, wenn wir unseren Hunden auch eine Tagesform zugestehen (auch Hunde können Kopfschmerzen oder Bauchschmerzen haben) und wenn wir Rücksicht auf ihre Emotionen und Bedürfnisse nehmen.
Wir teilen die gleichen Hormone, die gleichen Neurotransmitter, wir sind soziale Lebewesen, deren Bedürfnisse sich gar nicht so groß voneinander unterscheiden. Menschen und Hunde begrüßen sich auf eine andere Art und Weise – aber sozialer Kontakt und soziale Aufmerksamkeit sind für beide enorm wichtig. Menschen schnüffeln nicht am Wegesrand, aber sie konsumieren TV, Social Media, Bücher, etc. Sensorische und mentale Stimulation ist für beide also äußerst wichtig. Beide brauchen wir Nahrung und sichern wichtige Ressourcen, und beide benötigen wir Schutz, Vorhersehbarkeit und das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Dies führt mich zum Beginn dieses Blogbeitrages und warum ich über besondere Bücher und über das Ziehen von Parallelen schreibe: das Thema Bindung
Es geht um die die Erzählung „Das dritte Licht“ (Originaltitel: „Foster“) der irischen Schriftstellerin Claire Keegan.
Ich habe jede einzelne Seite dieses kleinen Büchleins aufgesogen und genossen. Besonders bewegt haben mich die Dinge, die nicht erzählt werden, die oberflächlich betrachtet offen bleiben - aber eigentlich doch beschrieben werden, nämlich in ganz leisen Tönen und zwischen den Zeilen. Und, wie so oft, habe ich wieder Parallelen gesehen zum Umgang mit Hunden.
Es handelt sich nicht um ein Hundebuch und es ist auch kein Kindererziehungsratgeber. Aber wer das Thema „sichere Bindung“ interessant findet und Erzählkunst genießen möchte, dem empfehle ich diesen kleinen literarischen Schatz.