In diesem Blogbeitrag beschäftigen wir uns mit einem sehr interessanten Thema: Die Bindung zu unseren Hunden
Was ist Bindung? Und warum sagt der Satz „Mein Hund und ich haben eine Bindung“ nichts über die Qualität dieser Beziehung aus?
Um dies zu verstehen, werden wir im zweiten Teil dieses Artikels auf das Bindungssystem der Säugetiere genauer eingehen.
Im ersten Teil erfährst du, wie unter dem Deckmantel von Begriffen wie Sicherheit, Zuverlässigkeit und Bindung das Anwenden von Strafe gerechtfertigt wird, und wie dadurch die überholte Rangordnungs- und Dominanztheorie durch die Hintertür wieder auf der Bildfläche erscheint.
Nach dem Lesen dieses Artikels wirst du verstehen, was Bindung für dich und deinen Hund bedeutet und warum es so wichtig ist, Begrifflichkeiten, Marketingschlagwörter und Trainingskonzepte genau zu hinterfragen.
Schnapp dir einen Kaffee oder Tee und mach es dir mit deiner Fellnase gemütlich. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen!
In der Welt des Hundetrainings wird der Bindungsbegriff teilweise sehr irreführend und manipulativ verwendet. So werden Hundemenschen mit einem äußerst emotionsgeladenen Urteil konfrontiert, wenn Übungen im Training nicht so recht klappen wollen: Es läge an der fehlenden Bindung.
Gerne werden auch Fachbegriffe nach eigenem Gusto neu definiert. Diese werden dann zusammen in einen Topf geworfen, alles wird einmal gut umgerührt und vor dem Servieren mit reichlich Euphemismus und Framing gespickt.
Euphemismus und Framing sind sprachliche Mittel, die uns auf unserer unbewussten und emotionalen Ebene beeinflussen sollen.
Im englischsprachigen Raum beschreibt man diese Techniken sehr treffend auch als „Sugarcoating“. Etwas, was unangenehm klingt und negative Assoziationen weckt, wird einfach unter einer sprachlichen Zuckerschicht versteckt. Re-Organisation klingt positiver als Entlassungen, Preisanpassung klingt harmloser als Preiserhöhung, die Immobilie in verkehrsgünstiger Lage klingt besser als: vergessen Sie beim Einzug Ihre Ohropax nicht!
Auch in der Welt der Hundeerziehung trifft man viel zu oft auf so ein Sugarcoating.
- Leinenimpuls anstatt Leinenruck,
- dem Hund Grenzen setzen anstatt ihn mit Zischlauten einzuschüchtern oder in die Seite zu kneifen,
- ein Kommando absichern anstatt Druck und Zwang auszuüben,
- Akzeptanz-Training anstatt Machtmissbrauch,
- Raumspiele und Raumverwaltung anstatt körpersprachliches Bedrängen und Bedrohen,
- die Verbindlichkeit eines Kommandos einfordern anstatt mit Schmerz und Schreckreiz zu strafen
Unter dem kaufmännischen Fachbegriff „Verbindlichkeiten“ versteht man Rechnungen, die noch bezahlt werden müssen. Es sind nicht erbrachte, vereinbarte Gegenleistungen für Lieferungen und Leistungen. Aber warum so kleinlich? Dieser Begriff klingt doch irgendwie toll, so ein bisschen nach „Verbindung“. Den könnte man doch auch super für andere Zwecke einfach neu definieren.
Das unscheinbare, aber wichtige Wort „vereinbart“ in der ursprünglichen Definition lässt man jedoch einfach außer Acht. Unsere Hunde haben mit uns nichts vereinbart. Sie wurden nicht gefragt, ob sie bei uns einziehen wollen und auf diese Art leben möchten. Sie haben auch nicht das Konzept des Rückrufs mit uns vereinbart. Wenn die Pfeife oder unser Rufen nicht funktionieren, müssen wir uns fragen, was wir im Training falsch gemacht haben und nicht, wie wir eine ominöse Verbindlichkeit bei unserem Hund einfordern. Unsere Hunde haben uns gegenüber keine Verbindlichkeiten, sie haben keine offenen Rechnungen bei uns, und sie sind uns nichts schuldig.
Nachfolgende Aussagen verwenden einen geschickten und äußerst manipulativen Sprachgebrauch.
„Wenn du deinem Hund nicht in einfachen Situationen zeigst, dass du auf die Verbindlichkeit eines Kommandos bestehst, ist es unfair, diese Verbindlichkeit sofort in schwierigen Situationen einzufordern.“
Was hier so nett rüberkommt, bedeutet im Klartext und ohne Sugarcoating, dass du lernen sollst, deinen Hund zu bestrafen, ihn zu hemmen und zu bedrohen. Du sollst im Kleinen damit anfangen und zu diesem Zweck sogar Konflikte mit deinem Hund aktiv provozieren.
Als Konflikte bezeichnet man in dieser Trainingswelt Situationen, in denen dein Hund deine Kommandos nicht befolgt. Der Grund hierfür läge am mangelnden Respekt dir gegenüber, weshalb du mit deinem Hund auf der sozialen Ebene trainieren müsstest: In sogenannten „Stellvertreterkonflikten“ soll dein Hund sich bereits in kleinen, unwichtigen Situationen daran gewöhnen, dass du Verbote mittels Bestrafungen durchdrückst, um sie später auch in größeren Konflikten zu akzeptieren.
Hier kommt also die veraltete und längst widerlegte Rangordnungs- und Dominanztheorie durch die Hintertür zum Vorschein. Ihr zufolge sehen Hunde ihre Beziehung zu den Menschen als eine Art Hierarchie, in der sie ganz nach oben klettern wollen, um uns zu dominieren. Seit Jahrzehnten gilt diese Theorie als völlig überholt, und trotzdem halten einige Trainingsansätze an ihr fest.
„Hunde wollen keine Freiheit, sondern Verbindlichkeit.“
„Nur wer verbindlich ist, wird als kompetenter und zuverlässiger Sozialpartner durch den Hund anerkannt.“
„Ich kann von meinem Hund keine Verbindlichkeit erwarten, wenn ich selbst nicht verbindlich bin.“
Diese Aussagen klingen auch total fair und nett, oder? Gemeint ist hier aber etwas sehr Perfides.
Übersetzt ohne Sugarcoating: „Ich kann von meinem Hund das Befolgen eines Kommandos nicht erwarten, wenn ich ihm die Konsequenzen einer Befehlsverweigerung nicht mittels Bestrafung deutlich mache.“
Mit Verbindlichkeit auf der menschlichen Seite ist hier also das Bestrafen gemeint.
Zudem liest man, dass Menschen, die ihren Hund nicht bestrafen möchten, nicht konfliktfähig wären. So wird der Druck noch weiter erhöht… wer will schon als Softie dastehen?
Die Krone wird dem Ganzen aufgesetzt, indem hier implizit behauptet wird, dass Hunde diese Verbindlichkeiten (sprich: Strafe) wollen und brauchen.
Oft spüren wir instinktiv, dass eine Argumentation nicht ganz schlüssig ist. Vielleicht stimmen wir dem ersten Teil einer Aussage zu und merken dann aber irgendwie, dass die darauffolgende Schlussfolgerung kausal nicht passt.
Bitte höre auf dein Bauchgefühl und traue dich, nachzufragen und nachzuhaken.
Hunde haben nicht das Bedürfnis, Strafe zu erfahren. Hunde sehen es auch nicht als Merkmal einer sicheren Bindung an, bestraft zu werden.
An manchen Stellen wird auf solchen Websites offen und unverblümt dazu geraten, dass man beispielsweise als Einforderung eines nicht geglückten Rückrufes die Hundeleine nach seinem Vierbeiner werfen soll. Denn Hunde, so liest man weiter, lernen über das Erleben von Strafe und nicht wie Kinder über das Androhen von Strafe.
Ganz nebenbei wird noch hinzugefügt, dass das Androhen von Strafe bei Kindern übrigens sehr effektiv sei. An dieser Stelle sollten wir uns fragen, ob man alles, was man machen kann und gesetzlich machen darf, auch wirklich machen sollte.
Wenn du bei solchen Trainingsansätzen genauer hinschaust, wirst du beobachten, dass man die Hunde in viel zu schwierige Situationen lockt, ohne dass sie vorher ein ausreichendes und faires Training bekommen haben, nur um sie danach zu bestrafen.
Ein Klassiker ist das Passieren von Essbarem: Die Hunde werden dafür bestraft, dass sie in die gestellte Falle laufen und sich dem Essbaren nähern. Sie werden durch Schreckreize, Blockieren und Anschreien davon abgehalten, an das ausgelegte Schweineohr zu kommen.
So etwas hat nichts mit Training zu tun, erst recht nichts mit einem fairen und gewaltfreien Training.
Und die Behauptung, dass solche Aktionen die Bindung zwischen Hund und Mensch fördern, entbehrt nicht nur jeglicher fachlicher Grundlage, sondern lässt auch Rückschlüsse auf den Umgang mit der ethischen Verantwortung ziehen, die jeder Mensch hat, der mit Lebewesen umgeht.
Das wirklich Schlimme an der ganzen Sache ist, dass all diese geschilderten Beispiele keine Einzelfälle von ewiggestrigen Trainern aus irgendwelchen kleinen Vereinen sind.
Diese Personen haben ihre Erlaubnis nach §11 des Tierschutzgesetzes, arbeiten in Hundeschulen, schreiben Bücher und referieren als Dozenten. Sie betiteln ihre Arbeit als gewaltfrei, da sie keine Starkzwangmittel einsetzen.
Aber Gewalt fängt nicht erst beim Einsatz von Stromhalsband, Stachelhalsband, Endloswürger & Co an.
Dieser erste Part meines Artikels soll dir dabei helfen, gewisse sprachliche und gedankliche Deutungsrahmen zu erkennen. Er soll dir Mut machen, kritische Fragen zu stellen und Entscheidungen zu treffen, mit denen du und dein Hund sich wohlfühlen.
Im zweiten Part schauen wir uns jetzt an, was es mit dem Begriff „Bindung“ wirklich auf sich hat.
Bindung ist ein psychologischer Begriff für ein enges, emotionales Band zwischen zwei Individuen.
Die Bindungsforschung hat die Bindungstheorie hervorgebracht, welche sich ursprünglich mit der menschlichen Eltern-Kind-Beziehung beschäftigt, also mit der Beziehung zwischen einem Kind und seinen älteren und weiseren Fürsorgepersonen.
Die Bindungstheorie entstand durch die klinische Arbeit des britischen Psychiaters und Psychoanalytikers John Bowlby mit kriminell auffälligen Kindern. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden aufgrund seiner Theorie viele Forschungen durchgeführt.
In seinem Forschungsteam war auch die Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth, die durch empirische Beobachtungsdaten und den SST (Strange Situation Test) erstmals auch die praktische Umsetzung der Bindungstheorie erforschte.
Im Laufe der Zeit wurde die Bindungstheorie auch auf die ganze Lebensspanne ausgeweitet. Unabhängig vom Alter betrifft sie alle Situationen, in denen eine schwächere Person den Schutz und die Fürsorge einer vertrauten und stärkeren Person braucht.
„Bindung wird als imaginäres Band zwischen zwei Personen gedacht, das in den Gefühlen verankert ist und das sie über Raum und Zeit hinweg miteinander verbindet.“ (Mary Ainsworth, 1979)
In der Evolution der Säugetiere sind Schutz, Nahrung und Wärme wichtig. Säugetiere werden mit der Erwartung geboren, dass sich jemand um sie kümmert. Bindung ist ein biologisch angelegtes System, also eine Art Bindungsprogramm, welches von Säugetieren ausgeführt wird, um zu überleben.
Und hier sind wir bei einem sehr wichtigen Punkt: schutzbedürftige Säugetiere sind abhängig von ihrem Bindungspartner. Sie sind darauf programmiert, sich zu binden – selbst dann, wenn dieser Bindungspartner nicht fürsorglich mit ihnen umgeht.
Bindung ist nicht gleich Sicherheit. Bindung geschieht auch mit Partnern, die nicht schützen, die keine Sicherheit bieten und Bedürfnisse nicht beachten.
Die Antwort auf das Bedürfnis nach Schutz, Nahrung und Wärme wird beim Bindungssuchenden abgespeichert als entweder verlässlich oder nicht verlässlich.
Reagiert die Bindungsperson schnell und immer zuverlässig auf das bindungssuchende Verhalten, fühlt sich der Bindungssuchende sicher, beschützt und geborgen. Hieraus entwickelt sich ein sicherer Bindungsstil.
Es findet ein ausgewogenes Wechselspiel zwischen Nähesuchen und Erkundung (Explorationsverhalten) statt. Die Bindungsperson ist eine sichere Basis, von wo aus sich das Individuum immer wieder zur Exploration aufmacht. Wird es dabei mal gefährlich und der Mut verlässt einen, so kehrt man zu dieser Basis, dem sicheren Hafen, zurück.
Es ist diese Sicherheit, die Exploration und damit eine gesunde Entwicklung überhaupt erst möglich macht.
Die Bindungsperson als sichere Basis und sicherer Hafen hilft bei der Stress- und Emotionsregulation; sie bietet Social Support: beruhigt, tröstet und ermutigt. Hier kann man sich zurückziehen und auftanken, um gestärkt in neue Abenteuer zu starten. Dieses Hin-und-Her zwischen Exploration und Nähesuchen wird als Kreis der Sicherheit bezeichnet.
Bindungssicherheit ist das Stressmanagement-System der Säugetiere.
Durch Nähe, beruhigende Ansprache und gewünschte Berührungen wird Oxytocin ausgeschüttet.
Oxytocin ist ein im Gehirn produzierter Botenstoff und wird oft auch als „Kuschelhormon“ oder „Geborgenheitshormon“ bezeichnet. Oxytocin ist der Gegenspieler des Stresshormons Cortisol. In schwierigen Situationen senkt es den Cortisolspiegel, beruhigt die Atmung und reguliert den Blutdruck.
Dies funktioniert jedoch nur, wenn die Bindungsperson mit Sicherheit, Wohlwollen, Freundlichkeit und Feinfühligkeit verknüpft wurde.
Bei strafenden Bindungspersonen wird durch Nähe Angst verursacht und es entsteht eine unsichere Bindung.
Dies zeigt uns ganz deutlich, dass ein sogenanntes Zuckerbrot-und-Peitschen-Prinzip mit Belohnen und Strafen nicht für eine sichere Bindung sorgt.
Eine sichere Bindung setzt Feinfühligkeit voraus, genaues Beobachten und Achtsamkeit.
Hierdurch entsteht zum einen eine emotionale Sicherheit: mir wird geholfen, wenn es mir nicht gutgeht und wenn ich Unterstützung brauche.
Und zum anderen entsteht eine psychische Sicherheit: ich traue mir zu, auch schwierige Situationen auszuprobieren, weil ich weiß, dass meine Bindungsperson mir helfen wird.
Neben der sicheren Bindungsvariante haben die Forscher drei unsichere Bindungsvarianten definiert.
Die unsicher-vermeidende Bindung: Bindungssuchende erfahren keine Unterstützung in schwierigen Situationen. Sie sind auf sich alleine gestellt und erhalten keine emotionale Zuwendung. Sie lernen, ihr Bindungsverhalten zu de-aktivieren und einzustellen. Bei dieser Bindungsvariante findet keine Co-Regulation von Stress und negativen Gefühlen durch die Bezugsperson statt.
Die unsicher-ambivalente Bindung: Bindungssuchende erfahren keine verlässliche, konsistente und vorhersehbare Unterstützung. Dies verursacht bei ihnen einerseits eine große Unsicherheit und andererseits ein hyperaktives Bindungsverhalten, welches sich noch mehr um eine positive Bindungsantwort bemüht. Auch diese unsichere Bindungsvariante reguliert in schwierigen Situationen nicht das Stresssystem und den Cortisolspiegel.
Die desorganisierte Bindung: Bindungssuchende erfahren eine pathologische Bindungsstörung, verursacht durch Traumatisierung, Misshandlung oder schwere Vernachlässigung. Vermeidung und widersprüchliche Verhaltensweisen treten auf, da das Bindungssystem von Säugetieren nicht darauf ausgelegt ist, von der Bindungsperson vernachlässigt oder misshandelt zu werden. Aggression oder Angst gegen die Bindungsperson wären unter normalen Umständen dysfunktional und würden sich gegen das eigene Interesse richten.
Was bedeuten diese Untersuchungen für dich und deinen Hund?
Auch zwischen Hunden und ihren Menschen werden diese Bindungstests durchgeführt. Man möchte verstehen, was genau uns seit Jahrtausenden miteinander verbindet.
Hunde und Menschen sind beide hochsoziale Säugetiere, die darauf programmiert sind, in Gruppen zu leben.
Gruppen sind wichtig für Menschen. Ein Ausschluss aus der Gruppe, aus unserem Stamm, wäre vor Urzeiten eine Bedrohung für unser Überleben gewesen. Dieses Ur-Bedürfnis ist so tief in uns verankert, dass unser Gehirn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe noch immer als enorm wichtig einstuft.
Du checkst deine Likes und die Anzahl deiner Follower? Du hast ein Seminar besucht, um zu lernen, Kritik nicht persönlich zu nehmen? Du fühlst dich unwohl, wenn Kollegen hinter deinem Rücken tuscheln? Mode, Status und Peer-Pressure lassen dich nicht komplett kalt? Keine Sorge, du bist ganz normal. 😉
Hunde sind obligat sozial lebende Säugetiere. Dies bedeutet, dass es ihnen ein Grundbedürfnis ist, in einer sozialen Gruppe zu leben. Von einem Hunderudel sprechen wir, wenn Hunde aus einer Familie zusammen leben. Hunde können aber auch mit Artgenossen außerhalb ihrer Familie in Gruppenverbänden leben. Und sie können eine extrem enge Beziehung zu einer anderen Spezies eingehen, zu uns Menschen. Das ist schon etwas sehr Besonderes.
Ist dies nun Freundschaft, ein tiefes Vertrauen oder vielleicht sogar eine Bindung?
Forscher gehen dieser Frage nach und kommen zu der Antwort, dass wir das Band zwischen Mensch und Hund durchaus mit der Bindung zwischen menschlichen Kindern und ihren Eltern vergleichen können.
Der SST (Strange Situation Test) von Mary Ainsworth wird auch interspezifisch an Hunden und ihren Menschen durchgeführt.
Wie die Kinder in diesen Tests werden auch Hunde in schwierigen Situationen an einem für sie fremden Ort in Bezug auf ihr Bindungsverhalten beobachtet. Als Ergebnis kann man feststellen, dass auch bei Hunden sichere und unsichere Bindungskonstellationen vorhanden sind.
Als Messung für die sichere Basis und den sicheren Hafen wurde in diesen Tests das Spiel- und Begrüßungsverhalten der Hunde beobachtet. Forscher fanden heraus, dass Hunde, deren Besitzer im Training aversive Techniken einsetzen, ihre Bezugsperson nicht freundlicher begrüßen als eine fremde Person. Auch was das Spielverhalten angeht, bevorzugen sie nicht ihre Bezugsperson.
Durch Cortisolmessungen im Speichel konnte man bei den sicher gebundenen Hunden in schwierigen Situationen eine bessere Stressregulation durch ihre Bezugspersonen feststellen als bei den unsicher gebundenen Hunden.
Was kannst du zusammenfassend tun, um eine sichere Bindung zu deinem Hund zu fördern?
Wir wissen, dass wir für Hunde zuverlässige Bindungspartner sind, wenn wir
- freundlich, feinfühlig, aufmerksam und wohlwollend mit ihnen umgehen,
- auf ihre Bedürfnisse eingehen und auf ihre körpersprachlichen Signale achten,
- ihnen Sicherheit, Struktur und Vorhersehbarkeit bieten (sichere Basis und sicherer Hafen).
Orientierst du dich im Zusammenleben mit deinem Hund an diesen Punkten, wirst du staunen, wie sehr dich das Wörtchen „wohlwollend“ begleiten wird, wie es deinen Blickwinkel verändert und zu deinem Kompass wird.
Es ist nur ein ganz kleiner Perspektivwechsel, der aber zu großen Änderungen führt. Am Anfang wirst du dich noch ein bisschen wie ein Alien fühlen, weil du sehen wirst, dass viele Menschen um dich herum anders denken.
Aber ich verspreche dir, dass alleine schon die wohlwollende Einstellung deinem Hund gegenüber eure Beziehung positiv beeinflussen wird!
In Situationen, in denen dein Hund Verhaltensweisen zeigt, die dich ärgern oder auf die Palme bringen, die dich blamieren oder dich zur Verzweiflung bringen, orientiere dich an diesem Kompass:
- Drücke deinem Hund kein Etikett oder Stempel auf.
Etiketten und Stempel bewirken, dass wir den gesamten Hund in eine Schublade stecken und dadurch bestimmte Verhalten nicht situativ beurteilen. Aussagen wie „Der Hund ist frech, faul, stur, dominant, etc.“ verfälschen unseren Blick auf den Hund und hindern uns daran, das Verhalten zu beobachten. Was sind die Auslöser dieses Verhaltens und was sind die Konsequenzen?
- Atme tief durch und sage dir, dass er es nicht mit Absicht macht.
Hunde zeigen unerwünschtes Verhalten nicht, um uns zu ärgern. Auch nicht, um Kontrolle und Führung über uns zu bekommen. Sie testen nicht ihre Grenzen und wollen uns auch nicht provozieren. Sage dir in solchen Momenten, dass dein Hund gerade kein anderes Verhalten zeigen KANN. Mache dir eine Notiz im Kopf, dass ihr ein Trainingsthema habt, an dem man jedoch arbeiten kann, freundlich, feinfühlig und wohlwollend. 😊
Quellen:
Bindungen – Das Gefüge psychischer Sicherheit. Dr. Karin Grossmann / Dr. Klaus E. Grossmann, neunte Auflage, 2023
Topàl et al., 1998 / Gàcsi et al., 2001 / Prato Previde et al., 2003 / Palestrini et al., 2005 / Marinelli et al., 2007 / Palmer & Custance., 2008 / Valsecchi et al., 2010 / Siniscalchi et al., 2013 / Mongillo et al., 2013 / Mariti et al., 2013 a; 2013 b / Scandurra et al., 2016 / Schöberl et al. 2016 / Solomon et al., 2018 / Viera de Castro et al., 2019 / Riggio et al., 2021, 2022
Dog Behavior, Ausgabe 3-2020, Seite 17-26: A mini review on the dog-owner attachment bond and its implications in veterinary clinical ethology. Autor: Giacomo Riggio DVM, PhD, MSc. Department of Veterinary Sciences, University of Pisa.