Trennungsangst bei Hunden: Ursachen verstehen und gezielt entgegenwirken

Veröffentlicht am 17. August 2024 um 22:04

Trennungsstress ist leider ein weit verbreitetes Problem und kann für deinen Hund und auch für dich als Bezugsperson gleichermaßen belastend sein.

Furry Fellows_Trennungsstress bei Hunden

Hunde, die unter Trennungsstress leiden, zeigen oft Anzeichen von Panik oder Verzweiflung, sobald sie alleine gelassen werden.

Dies kann sich in verschiedenen Verhaltensweisen äußern, wie z. B. Winseln, Bellen in allen möglichen Tonlagen, nicht zur Ruhe kommen, Zerstören von Gegenständen oder sogar unkontrolliertem Harn- oder Kotabsatz.

Doch was steckt hinter diesen Verhaltensweisen?

Und wie können wir unseren Hunden helfen, mit Trennungszeiten besser umzugehen?

In diesem Artikel beleuchten wir sowohl die Ursachen als auch effektive Lösungsansätze unter Berücksichtigung aktueller Verhaltensforschung und moderner Trainingsmethoden.

Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen! 📚 🐾


Die emotionale Grundlage: CARE und PANIC/GRIEF nach Jaak Panksepp


Der renommierte Neurowissenschaftler Jaak Panksepp hat in seiner Forschung verschiedene grundlegende emotionale Systeme im Gehirn von Säugetieren identifiziert, die auch bei Hunden eine zentrale Rolle spielen.

(Mehr über die grundlegenden Emotionen nach Jaak Panksepp erfährst du in diesem Blogartikel.)

Besonders relevant für das Verständnis von Trennungsstress sind die Systeme CARE und PANIC/GRIEF.

Das CARE-System ist verantwortlich für Bindung und Fürsorge. Es sorgt dafür, dass Hunde eine starke emotionale Bindung zu ihren Menschen aufbauen. Diese Bindung ist normalerweise eine Quelle von Sicherheit und Wohlbefinden für den Hund.

Wenn diese wichtigen Bindungspartner nicht zur Verfügung stehen, wird das PANIC/GRIEF-System aktiviert. Dieses System ist evolutionär dafür ausgelegt, die Trennung von wichtigen Bezugspersonen oder von der Gruppe als gefährlich zu empfinden. Die daraus resultierenden Zustände von Stress und Verzweiflung können zu den typischen Symptomen von Trennungsangst führen.

Hunde in menschlicher Obhut sind extrem von uns abhängig. Die Erfüllung ihrer Bedürfnisse liegt komplett in unseren Händen. Wenn die Person, von der man so abhängig ist, nicht zur Verfügung steht und man weiß nicht, wie lange sie wegbleibt, ist es gut nachvollziehbar, dass es zu extremen Stressreaktionen kommen kann.


Missverständnisse vermeiden: Es geht nicht um Kontrolle


Ein häufiges Missverständnis in Bezug auf Trennungsstress ist die Annahme, dass Hunde durch ihr Verhalten ihre Menschen maßregeln oder bestrafen wollen, wenn sie alleine gelassen werden. Diese Fehleinschätzung kann zu Missdeutungen des Verhaltens und zu falschen Trainingsansätzen führen.

Hunde, die trennungsbedingtes Verhalten zeigen, erleben eine real gefühlte Überforderung und echten Stress. Sie haben keine Strategie entwickelt oder gelernt, um Trennungszeiten zu bewältigen und durchleben teilweise panikartige Zustände.

Furry Fellows_Hund kann alleine bleiben

Eine Bewältigungsstrategie, die sich sehr viele Hunde ganz selbstständig aneignen, ist beispielsweise das Verweilen im Menschenkörbchen.

Im Bett riecht es ganz intensiv nach ihren Menschen und dies scheint den meisten Hunden emotional sehr zu helfen. 😊

Leider hört und liest man oft den Rat, zwischen echter Trennungsangst und Kontrollverhalten zu unterscheiden. Gerne wird dem Hund in diesem Zusammenhang das sehr vermenschlichte Etikett „Kontrolletti“ angehängt.

Zeigt dein Hund Stresssymptome während er alleine ist, handelt es sich um einen Hilferuf und nicht um die Absicht, dich zu maßregeln oder zu kontrollieren. Dieser Ansatz ist übrigens im gesamten Umgang mit Hunden überholt und veraltet, da er auf der wissenschaftlich widerlegten Dominanz- und Alpha-Theorie basiert.


Barrierefrust: Wenn physische Grenzen den Stress verstärken


Ein häufig übersehener Aspekt des Trennungsstresses ist die sogenannte Barrierefrustration. Hunde, die ihren Menschen aufgrund ihrer Trennungsangst folgen möchten, sehen sich oft durch physische Barrieren wie Türen oder Fenster daran gehindert.

Diese Barrieren können den Frust und die Panik des Hundes noch verschlimmern, da sie den natürlichen Impuls, der Bezugsperson zu folgen, blockieren. Hunde, die hinter geschlossenen Türen oder in Räumen mit Fenstern zurückgelassen werden, können versuchen, durch Kratzen oder Zerstören dieser Barrieren ihren Stress abzubauen. Dieser Frust kann den Stress noch weiter steigern und die Situation verschlimmern.


Kleinschrittige Desensibilisierung: Die Grundlage für Erfolg


Um unseren Hunden zu helfen, besser mit Trennungszeiten umzugehen, ist ein kleinschrittiges Training entscheidend. Dies bedeutet, dass man Hunde schrittweise daran gewöhnt, alleine zu bleiben und dabei immer wieder positive Erfahrungen schafft.

  • Beginne mit kurzen Einheiten: 

Starte dein Training mit angemessenen Zeiträumen. Dies können am Anfang Minuten oder sogar nur Sekunden sein, abhängig von der Bewältigungsfähigkeit deines Hundes. Die Zeiträume sollten so kurz sein, dass er noch ruhig und entspannt bleiben kann.

„Alleinbleiben“ bedeutet hierbei, dass du nicht gleich die Wohnung verlässt, sondern evtl. erstmal nur in den Flur gehst oder sogar nur bis zur Türklinke deines Wohnzimmers, je nachdem welchen Trainingsstand dein Hund hat.

  • Steigere die Dauer langsam:

Erhöhe die Dauer der Trennungen nur langsam und in kleinen Schritten. Dein Hund sollte während des Trainings immer ruhig und entspannt bleiben können. Beim Aufbau der Dauer hat sich ein variables Zeitschema bewährt. Statt einer stetigen Steigerung der Trennungszeiten trainiere lieber variabel. 

Sind im nächsten Trainingsdurchgang beispielsweise 60 Sek. dein Ziel, beginne den ersten Durchgang erstmal etwas unter der machbaren Zeit. Dein Hund hat in der letzten Trainingseinheit 40 Sek. geschafft?

Plane die Wiederholungen der nächsten Runde dann beispielsweise so: 35 Sek. – 45 Sek. – 40 Sek. – 55 Sek. – 45 Sek. – 60 Sek. – 50 Sek. – 60 Sek.

  • Wiederholungen: 

Wiederholungen während einer Trainingseinheit sind für eine effektive Desensibilisierung wichtig, können aber auch zu viel des Guten sein. Manche Hunde mögen zu viele Wiederholungen gar nicht. Achte deshalb ganz individuell auf die Grenze deines Hundes.

  • Routinen schaffen: 

Etabliere klare Routinen, die deinem Hund signalisieren, dass alles in Ordnung ist. Eine ruhige Verabschiedung und eine unaufgeregte und freundliche Begrüßung bei deiner Rückkehr helfen, die Trennungssituation zu normalisieren.


Unterstützung beim Aufbau von Trennungszeiten: positive Verstärkung und Verknüpfung von Entspannungsritualen


Positive Verstärkung ist ein zentraler Bestandteil im bedürfnisorientierten Umgang und ein äußerst wirksames Mittel, um Hunde tierfreundlich zu trainieren.

Durch das gezielte Belohnen von erwünschtem Verhalten wird dieses Verhalten häufiger gezeigt, es wird also „verstärkt“.

Belohne deinen Hund, wenn er während deiner Abwesenheit ruhig geblieben ist. Soziale Interaktion ist in diesem Kontext ein sehr guter Verstärker: eine ruhige Begrüßung beispielsweise mit sanften Streicheln. Du kannst deinem Hund auch ein paar Leckerli geben. Essen beruhigt und löst gute Laune aus. 😊

Die Belohnungen sollten jedoch so gewählt werden, dass sie deinen Hund motivieren, entspannt zu bleiben. Der nächste Wiederholungsdurchgang fällt deinem Hund leichter, wenn er nicht total aus dem Häuschen ist.

In Studien konnte man feststellen, dass sanfte Pianomusik und bestimmte Duftstoffe beruhigend auf Hunde wirken.

Du könntest z.B. ätherisches Öl in Bio-Qualität stark verdünnt auf ein Tüchlein geben und dies in die Nähe des Hundekörbchens legen. Falls dein Hund jedoch die Nase rümpft und dem Tuch ausweicht, ist es nicht geeignet und du packst es lieber wieder weg.

Folgende Öle kannst du zur Entspannung verwenden: Lavendel, Kamille, Zitrone, Mandarine oder Orange. Nalas Lieblingsduft ist z.B. „Ganz entspannt“ von der Firma Primavera. Dazu könntest du leise Piano-Musik abspielen.

Ein Tipp: lässt du Musik von YouTube über den Browser Brave abspielen, hast du keine störenden Werbepausen! Eine Werbung z.B. für ein neues Ballerspiel wäre für das Training von entspannten Trennungszeiten nicht sehr förderlich. 😉


Systematisches und individuell gestaltetes Training


Wie so oft in der Verhaltensberatung haben wir auch bei trennungsbedingten Verhalten mit unterschiedlichsten Einflussfaktoren zu tun. Wenn wir an Verhalten arbeiten, sollten wir nicht nach einem Rezept à la „Wenn X passiert, dann tue Y“ vorgehen.

Anstatt eine einzige Methode nach einem bestimmten Schema anzuwenden, orientiere ich mich daher an den Herangehensweisen von renommierten Dozent/innen wie Malena DeMartini-Price, Dr. Ute Blaschke-Berthold, Chirag Patel, Celina del Amo und anderen. 

Ein zentraler Aspekt dieses modernen Trainings ist die genaue Beobachtung des Hundes, um zu erkennen, wann er anfängt, Anzeichen von Stress zu zeigen.

Diese Stressgrenze sollte nie überschritten werden. Stattdessen wird die Trainingsdauer an die individuellen Fortschritte des Hundes angepasst, was das Vertrauen des Hundes in die Situation stärkt.

Ziemlich früh im Training beginnen wir außerdem mit der Desensibilisierung einzelner Aufbruchsignale (Schlüssel einstecken, Schuhe oder Jacke anziehen, Fenster schließen, etc.) und koppeln sie an die Trennungszeiten.

Frühere Ansätze sahen vor, dass man Aufbruchsignale für sich alleinstehend desensibilisieren sollte. Die Bezugsperson musste 100-mal den Schlüssel oder die Jacke nehmen und sich danach einfach aufs Sofa setzen.  

Das Problem hierbei war, dass diese Desensibilisierung sehr instabil war, denn irgendwann kam unweigerlich der Moment, dass nach dem Anziehen der Jacke eben nicht der Gang zum Sofa erfolgte, sondern zur Haustür, gefolgt von einer Trennungszeit.

In solchen Momenten passierte es oft, dass die mühselig aufgebauten Fortschritte wie ein Kartenhaus in sich zusammen fielen.

Zum Glück wird besonders am Thema Trennungsstress immer weiter geforscht und gearbeitet. Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft und von Expert/innen, die sie freundlicherweise veröffentlichen und teilen! 😊


Bedürfnisorientierung: Auf die individuellen Bedürfnisse des Hundes eingehen


Nicht jeder Hund reagiert gleich auf Trennungen, und es ist wichtig, individuell auf den eigenen Hund einzugehen. Folgende Aspekte solltest du berücksichtigen:

  • Bedürfnisbefriedigung vor der Trennungszeit: Ein Hund, der vor dem Alleinsein ausgiebig seinen Lieblingshobbys nachgehen konnte, seine Geschäfte erledigt hat, keinen Hunger oder Durst verspürt und generell ausgeglichen ist, kann stressige Herausforderungen viel leichter bewältigen.
  • Individuelle Unterschiede: Hunde haben ein unterschiedliches Bedürfnis nach Nähe und Gesellschaft. Diese können auch von Ort zu Ort variieren. Vielleicht kann ein Hund zuhause gut alleine bleiben, im Wohnwagen oder in der Ferienwohnung muss das jedoch nicht automatisch der Fall sein. Diese Feinheiten sollten beim Training berücksichtigt werden.
  • Sicherheitsgefühl schaffen: Ein sicherer Rückzugsort wie ein gemütliches Körbchen oder ein bestimmter Raum kann deinem Hund helfen, sich während deiner Abwesenheit sicher zu fühlen.

Wichtigkeit der Kameraüberwachung: Was passiert während deiner Abwesenheit?


Eine Kameraüberwachung ermöglicht es dir, das Verhalten deines Hundes in deiner Abwesenheit genau zu beobachten. So kannst du feststellen, wann und warum Stresssymptome auftreten und dein Training entsprechend anpassen.

  • Früherkennung von Stress: Durch die Überwachung per Kamera kannst du bereits die ersten Anzeichen von Unruhe, Unsicherheit und Stress erkennen. Dies gibt dir die Möglichkeit, während des Trainings sofort zurückzukommen und deine Trainingsschritte anzupassen, bevor das Verhalten problematisch wird.
  • Effektivität des Trainings beurteilen: Eine Kameraüberwachung ermöglicht es, den Fortschritt deines Hundes objektiv zu beurteilen. Du kannst beobachten, ob dein Hund in deiner Abwesenheit ruhiger wird und ob er gelernt hat, sich zu entspannen, was ein wichtiger Indikator für den Erfolg deines Trainings ist.
  • Anpassung der Strategie: Solltest du feststellen, dass ein Trainingsplan nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt, kannst du dein Vorgehen sofort anpassen. Die Kameraüberwachung bietet dir wertvolle Einblicke in die tatsächlichen Reaktionen deines Hundes, die dir sonst entgangen wären.
  • Erfahre, ob es noch weitere Faktoren gibt: Es ist nicht selten, dass eine Trennungsproblematik einhergeht mit einer Geräuschangst. Kann deine Kamera auch Geräusche aufzeichnen, bist du über diesen Aspekt im Bilde und kannst Maßnahmen ergreifen.

Zusammenhang zwischen Geräuschangst und Trennungsstress


Steigerung der Angst durch negative Verknüpfungen während der Trennungszeit

Wenn ein Hund während des Alleinseins zusätzlich durch laute Geräusche erschreckt oder gestört wird, kann dies die ohnehin vorhandene Trennungsangst verschlimmern. Zum Beispiel könnte ein Hund, der bereits gestresst ist, durch plötzliche laute Geräusche in eine noch tiefere Panik versetzt werden.

Der Hund macht die Erfahrung, dass Trennungszeiten mit negativen Ereignissen wie unangenehmen Geräuschen verknüpft sind. Diese Konditionierung kann dazu führen, dass der Hund noch mehr Angst entwickelt, wenn er das nächste Mal alleine gelassen wird, weil er antizipiert, dass etwas Schlimmes passieren könnte.

Ähnliche emotionale Auslöser

Ein Hund, der bei lauten Geräuschen ängstlich reagiert, zeigt möglicherweise auch in anderen stressigen Situationen, wie dem Alleinsein, ähnliche Angstreaktionen. Die Angst vor Geräuschen kann also die allgemeine Angst des Hundes steigern, was dazu führt, dass der Hund in Abwesenheit seiner Bezugsperson noch gestresster reagiert.

Angst kann sich leider immer weiter ausweiten und zu generalisierten Angstzuständen heranwachsen.

Wechselwirkungen zwischen den Ängsten

Es besteht also die Möglichkeit, dass die Angst vor Geräuschen die Trennungsangst verschlimmert und umgekehrt.

Leidet ein Hund unter Geräuschangst, kann diese Angst ihn noch unsicherer machen, wenn er alleine ist. Umgekehrt können nicht zu bewältigende Trennungszeiten aufgrund des erhöhten Stresslevels dazu führen, dass der Hund auf Geräusche noch sensibler reagiert.

Die Behandlung von Geräuschangst und Trennungsstress sollte ganzheitlich angegangen werden. Dabei ist es wichtig, sowohl die Geräuschangst als auch die Trennungsangst des Hundes zu behandeln, um zu verhindern, dass sie sich gegenseitig negativ beeinflussen.


Fazit


Unbehandelte Stress- und Angstverhalten können zu chronischen Stresszuständen und weiteren Verhaltensproblemen führen. Ein Hund, der oft in Angst lebt, ist anfälliger für gesundheitliche Probleme und pathologische Verhaltensstörungen.

Es ist wichtig, unseren Hunden frühzeitig zu helfen, um für ein körperliches und emotionales Wohlbefinden zu sorgen. Angst verschwindet nicht von alleine. Die Hoffnung „Das gibt sich schon mit der Zeit“ ist bei Ängsten leider weit verbreitet, aber nicht zielführend.

Mit einem systematischen Ansatz, Geduld, Verständnis und einer bedürfnisorientierten Herangehensweise können Hunde lernen, auch in Abwesenheit ihrer Bezugspersonen entspannt zu bleiben und sich sicher zu fühlen.


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Auf diese Weise stellt man als Trainerin keinen Störfaktor vor Ort dar, und dein Hund erlebt keinen zusätzlichen Stress.