Zwischen Kamera und Realität: Warum TV- und Social-Media-Hundetraining uns so fesselt

Veröffentlicht am 3. Dezember 2024 um 19:19

Die Welt der Hundeerziehung ist heutzutage präsenter denn je – ob im Fernsehen, auf Instagram, YouTube oder TikTok. Es werden spektakuläre Verhaltensänderungen in wenigen Minuten gezeigt und Millionen Menschen sind begeistert.

Diese Beliebtheit lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, die weit über die Attraktivität einer kostenlosen Wissensvermittlung hinausgehen. Die Ansätze und Inhalte sind stark darauf ausgelegt, ein breites Publikum zu erreichen, und „pädagogisch wertvoll“ ist dabei meistens nicht das Ziel.

Furry Fellows_Hundetraining auf Social Media

Es werden bewusst Mechanismen verwendet, die viele Menschen in den Bann ziehen: eine Kombination aus Emotionen, Entertainment und schnelle und einfache Lösungen mit dramatischen Vorher-Nachher-Szenen.

Wir vergessen dabei schnell, dass es sich um inszenierte Darstellungen handelt. Wir bekommen nur das zu sehen, was wir auch sehen sollen!

Und was dabei oft verborgen bleibt, ist die wichtige Frage, ob diese Methoden im Sinne des Tierwohls sind und ob sie tatsächlich langfristige Lösungen bieten.

🤓 In diesem Artikel beleuchten wir, warum der erste Eindruck täuschen kann und wie du seriöse, realitätsnahe und verantwortungsvolle Inhalte erkennst.

✔️ Am Ende findest du noch eine Checkliste für das echte Leben – falls du wie ich mit Social Media nicht so viel am Hut hast. 😉

Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen! 🛋️ ☕

Trainer/innen, die auf positive Verstärkung und wissenschaftlich fundierte Methoden setzen, haben beim Social-Media-Marketing eine knifflige Herausforderung.

Ihnen ist es eine Herzensangelegenheit, tierfreundliches Training und Wissen anstatt Meinung zu vermitteln. Auf ihren Kanälen liefern sie hierfür klare, transparente und authentische Erfolgsgeschichten, die auf das breite Publikum jedoch oftmals unspektakulär wirken.

Unter ihren Beiträgen findet man Kommentare und Fehleinschätzungen wie beispielsweise:

  • „Der Hund in diesem Video ist nicht wirklich schwierig, er ist ja nicht nach vorne gegangen und zeigt keine Aggression. Mit einem richtigen Problemhund würde man so nicht weiterkommen!“
  • „In dem Film wird ja gar nicht trainiert. Der Hund bleibt die ganze Zeit über ruhig und rastet gar nicht aus!“
  • „Von diesem Trainer sehe ich nie Videos mit wirklich schwierigen Hunden!“

Warum kommt gerade traditionelles Hundetraining, welches auf Einschüchterung und erzwungener Unterordnung basiert, so gut bei Followern und Zuschauern an?

Und welche Folgen zieht das nach sich?

Furry Fellows_Hundetraining im Fernsehen

Menschen mit Problemhunden sind oft verzweifelt und suchen nach einfachen, schnellen Lösungen.

Wenn sie sehen, wie ein Hund mit tiefgreifenden Verhaltensproblemen in wenigen Minuten von aggressiv zu „brav“ wird, scheint die Lösung auch für sie in greifbarer Nähe.


Unterscheiden Zuschauer/innen Social Media und Fernsehen vom echten Leben?


Oft nicht: Viele Menschen nehmen das Gezeigte als realistische Darstellung wahr, da diese Unterhaltungsformate keine Kontexte liefern, die die Methoden kritisch hinterfragen.

Zuschauer/innen und Follower versuchen, die gezeigten Techniken nachzuahmen, ohne die Konsequenzen zu kennen. Das kann gefährlich sein – für Hund und Mensch.

Nur wer tiefer in modernes Hundetraining eintaucht oder selbst mit aversiven Methoden schlechte Erfahrungen gemacht hat, beginnt häufig, die Unterschiede zu sehen und zu verstehen.

Die veraltete Denkweise, dass Hunde Dominanz benötigen und Menschen die Alpha-Position einnehmen müssen, ist noch immer tief in Glaubenssätzen und Sichtweisen verankert. Bestimmte TV- und Social Media-Trainer bedienen diese Vorstellung und lassen das Publikum glauben, dass Verhaltensänderungen mit simplen Moves, Energieübertragung, einem Alpha-Auftreten und einer gewissen Ausstrahlung erzielt werden.

Sehr viele Hundemenschen sind sich nicht bewusst, dass die Dominanztheorie wissenschaftlich widerlegt wurde. Daher erscheinen ihnen diese Ansätze vertraut und plausibel.

Wissenschaftliche Modelle hingegen, die Verhalten als Ausdruck von Bedürfnissen und Lernerfahrungen erklären, sind komplexer und viel weniger intuitiv.


Was hinter den Kulissen passiert


Furry Fellows_Hinter den Kulissen von TV-Hundetraining

Im Fernsehen und in den sozialen Medien wird nicht gezeigt, wie viel Zeit und Engagement im Alltag tatsächlich notwendig sind, um Verhalten nachhaltig zu ändern. Stattdessen wird suggeriert, dass man in einer einzigen Trainingssession von wenigen Minuten alles regeln kann.

Viele dieser schnellen Erfolge basieren auf aversiven Techniken wie Einschüchterung, Erschrecken, Bedrohung und erzwungener Unterordnung. Diese Methoden unterdrücken Symptome, ohne die Ursachen wirklich zu behandeln.

Solche Maßnahmen fördern Stress, Angst, Frustration und Aggression bei Hunden – auch wenn es kurzfristig so aussieht, als ob sie „funktionieren“.


Gutes Training sieht langweilig aus


In Fernsehsendungen wird bewusst Drama inszeniert. Situationen eskalieren oft und werden nochmals in Slow-Motion wiederholt.

Der Hund zeigt extremes Verhalten, und der Trainer tritt als Held, Hundeflüsterer, Hundeprofi & Co. auf, der das Problem scheinbar im Handumdrehen löst. Das ist emotional fesselnd und macht sich gut als unterhaltsame Geschichte.

TV-Trainer und andere Social-Media-Stars sind geschickte Kommunikatoren und wahre Experten. Nicht unbedingt in Bezug auf Hundeverhalten, dafür aber in Bezug auf Einschaltquoten und Clickraten. Mit ihrer charismatischen Präsenz schaffen sie es, Menschen zu überzeugen. Wissenschaftsbasierter Content ist da zweitrangig. Menschen fühlen sich von solchen Persönlichkeiten angezogen und vertrauen ihnen. Die dramatischen Vorher-Nachher-Effekte erzeugen darüber hinaus Hoffnung und Bewunderung.

Viele Hundebesitzer/innen verstehen nicht, warum es wichtig ist, Hunde im Training nicht über ihre Grenze zu pushen. Das unerwünschte Verhalten, welches Hunde in solchen Situationen zeigen, wird dadurch abermals geübt und noch mehr gefestigt. Das ist gerade das, was seriöse Hundetrainer/innen vermeiden möchten.

Als Reaktion auf ihr „Fehlverhalten“ werden die Hunde korrigiert und gehemmt. Was dann passiert, ist eine typische Missinterpretation: Zuschauer/innen verwechseln Ruhe durch Unterdrückung (erzwungene Gehorsamkeit) mit echter Gelassenheit und einer nachhaltigen Lernerfahrung.

Wissenschaftlich fundiertes Training hingegen setzt auf positive Verstärkung und berücksichtigt zugrundeliegende Bedürfnisse.

Der Ausgangspunkt dieser Herangehensweise ist das Wohlbefinden des Hundes. Verhalten wird als Ausdruck von Bedürfnissen verstanden, und diese werden zuerst adressiert.

Enrichment-Maßnahmen für ein körperliches und emotionales Wohlbefinden mögen auf den ersten Blick unspektakulär wirken, doch sie führen zu nachhaltigen Ergebnissen und bilden oft die Grundlage, um überhaupt mit effektivem Training beginnen zu können.

Verantwortungsvolle Trainer/innen planen kleine Trainingsschritte, die für Außenstehende banal erscheinen. 

Sie schaffen eine sichere Lernumgebung, in der die Hunde das erwünschte Alternativverhalten verinnerlichen und stabil verankern können. Die Hunde werden nicht überfordert und bleiben motiviert.

Durch die sichere Lernumgebung rufen die geübten Signale bei den Hunden positive Assoziationen hervor. Sie verknüpfen das Alternativverhalten mit einer positiven Emotionslage und mit Erfolgserlebnissen. Dieses Alternativverhalten wird dann schrittweise in schwierigeren Situationen abgefragt und geübt. Das sieht im Vergleich zu „konfrontativer Action“ oft langweilig aus.


Wenn Unterdrückung mit Training verwechselt wird


Nicht jedes ruhige Verhalten ist also gleichzusetzen mit einem entspannten Zustand. Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen einem Hund, der gelernt hat, mit einer schwierigen Situation positiv umzugehen, und einem Hund, der sie lediglich erträgt, weil er Angst vor Konsequenzen hat.

Wenn ein Hund still ist, weil er durch Einschüchterung oder Strafe gelernt hat, sich nicht zu wehren, ist er innerlich nicht ruhig. Er hat schlicht Angst, dass eine unerwünschte Reaktion Bestrafung nach sich zieht.

Dieser innerliche Stress wirkt sich nicht nur negativ auf das Wohlbefinden aus, sondern kann auch richtig gefährlich werden. Wenn es dem Hund zu viel wird, kann es zu unerwarteten und dadurch unkontrollierbaren Explosionen in anderen Situationen kommen.

Ein nachhaltig trainierter Hund zeigt stattdessen echte Ruhe. Er wird in schwierigen Situationen zunehmend auf positive Alternativen zurückgreifen, weil er sie verinnerlicht hat. Dies führt langfristig zu echter Verhaltensänderung.

Vergleich: Lernen vs. Aushalten

Merkmal Strategien lernen Verhalten unterdrücken
Emotionale Basis • Sicherheit und Vertrauen • „Zusammen mit meinem Menschen kriege ich das hin!“ • Angst und Unsicherheit • „Zu der blöden Situation kommt auch noch die bedrohliche Reaktion meines Menschen hinzu!“
Stresslevel • Niedriger Stresslevel • Hund bleibt ansprechbar und kann andere, erwünschte Verhalten lernen • Hoher Stresslevel mit unterschiedlichen Folgen • Einfrieren • Übersprungsverhalten • Frustration • Aggression • erlernte Hilflosigkeit
Verhaltensänderung • Selbstbewusste Bewältigungsstrategien entstehen • Orientierung an der Bezugsperson in schwierigen Situationen • Symptome werden unterdrückt • Zugrundeliegende Ursachen bleiben bestehen • Vertrauensverlust in die Bezugsperson
Trainingserfolg • Langfristig und nachhaltig • Kurzfristig • Oft mit Rückfällen, die dann nicht mehr von der Kamera festgehalten werden

Fazit: Warum echte Bewältigung das Ziel ist


Du und dein Hund verdienen dauerhafte Lösungen. Verhaltensänderung ist eine Reise, keine Abkürzung. Lass dich nicht von scheinbaren Wundermethoden täuschen.

Ein achtsamer Umgang mit den Bedürfnissen deines Hundes und ein zeitgemäßes Training nach aktuellen, wissenschaftlichen Erkenntnissen sind der Schlüssel zu einem nachhaltigen Erfolg. Hierdurch entwickelt dein Hund Vertrauen in sich selbst, in dich und in eure gemeinsamen Fähigkeiten als Team.

Als Ergebnis zeigt dein Hund wirkliche Gelassenheit – nicht, weil er dazu gezwungen wird, sondern weil er es kann. 🐶


🚦 Und wie kannst du im Real Life die Hundeschule erkennen, die zu dir passt?


⛔ Red Flags:

  • Werbung mit schnellen Lösungen oder Erfolgsgarantien
  • Du darfst nicht mit einem Geschirr trainieren, sondern musst ein Halsband verwenden.
  • Dein Hund wird als prollig, frech, respektlos, dreist, etc. bezeichnet.
  • Du hörst Sätze wie „Dein Hund versucht dich zu dominieren“, „Du musst deinem Hund zeigen, wer der Chef ist“, „Du musst Grenzen durchsetzen“, „Du musst in den Konflikt gehen“, „Da muss dein Hund jetzt durch“, „Du musst Druck machen und darfst nicht nachgeben, bis dein Hund sich demütig zeigt“, „Durch das Aushalten von unangenehmen Situationen lernt dein Hund damit umzugehen“, „Du darfst deinem Hund nicht zur Seite stehen und ihn nicht trösten“, „Lass die Situation laufen, die Hunde machen das unter sich aus“ … leider gibt es zu viele Beispiele, als dass man sie alle auflisten könnte.
  • Es wird mit Leinenruck, Zischlauten, Schreckreizen, körpersprachlichem Bedrohen, Druck und Zwang gearbeitet.
  • Du empfindest das Verhalten des Trainers oder der Trainerin als übergriffig und respektlos, sowohl deinem Hund als auch dir gegenüber. Höre auf deine innere Alarmglocke und drücke sie nicht weg!
  • Dir wird mit Angstmacherei begegnet. Beispielsweise: „Bei dem ist XYZ-Rasse mit drin! Wenn du jetzt nicht umsetzt, was ich dir sage, hast du in kürzester Zeit einen aggressiven Hund an der Leine!“
  • Wenn du die Umschreibungen der Übungen, wie z.B. „Wir geben einen Leinenimpuls“ oder „Wir setzen liebevoll Grenzen“ ausblendest und nur auf die Körpersprache der Hunde schaust: Was sagen dir die Hunde? Was siehst du wirklich? Vielleicht den nachfolgenden Punkt?
  • Die Hunde fühlen sich nicht wohl mit dem Training und zeigen Meideverhalten, Angst- und Stresssymptome, evtl. sogar schon Abwehr-Aggression. Sie klappen die Ohren nach hinten, klemmen die Rute ein, das Weiße in ihren Augen ist zu sehen, ihre Rücken sind aufgekrümmt, sie züngeln, hecheln und schauen hilflos um sich.
  • Und zuletzt ein Punkt, den Hundemenschen leider immer noch viel zu häufig erleben müssen: Du sitzt nach der Trainingsstunde weinend im Auto, schaust deinen Hund an und denkst dir „Das kann’s doch nicht sein.“ Im Hinterkopf hast du das bereits bezahlte Abo, dein Bauchgefühl sagt dir jedoch, dass du diesen Hundeplatz nie wieder betreten möchtest.

✅ Green Flags:

  • Individuelle Beratung, die dein Wohlbefinden und das deines Hundes in den Mittelpunkt stellt.
  • Es geht darum, Hunde wohlwollend und achtsam zu begleiten und weniger um Führung, Gehorsam, Unterordnung und Funktionieren.
  • Arbeiten mit Belohnungen und positiver Verstärkung – nicht als „Methode“, sondern als modernes und wissenschaftsbasiertes Grundkonzept.
  • Es wird nicht betont, dass du Grenzen setzen musst, sondern der Fokus liegt auf dem WIE: Grenzen und Verhaltensunterbrechungen werden ohne Bedrohung oder Einschüchterung fair und kleinschrittig trainiert.
  • Absolute Transparenz über das Trainingskonzept, die einzelnen Schritte und die angewandten Trainingstechniken.
  • Trainingsschritte werden verhaltensbiologisch und lerntheoretisch erklärt.
  • Hintergrundwissen über hündisches Verhalten, Körpersprache und Bedürfnisse wird vermittelt.
  • Es wird nicht unterschieden zwischen Erziehung und Training auf unterschiedlichen Ebenen (Beziehungsebene/soziale Ebene vs. Trainingsebene).
  • Verantwortungsvolle Trainer/innen haben nicht nur einen Lösungsweg, sie sind flexibel:
    • deine Autonomie wird unter allen Umständen gewahrt
    • deine Wünsche und Entscheidungen werden berücksichtigt
    • auf deine Fragen und Bedenken wird ausführlich eingegangen
  • Dein Hund fühlt sich sicher. Körpersprachlich drückt er aus, dass er sich wohl fühlt und Freude am Training hat. Du hast das Gefühl, dass das Training eure Bindung stärkt.